Und nur deshalb ist alles, was für einen Beobachter
Realität ist, Realität dank der Einheit der Unterscheidung,
die er verwendet, also Konstruktion.
Niklas Luhmann 1.1
Rohöl ist für die Industrienationen die wichtigste Energie-Ressource. Es wird in nahezu allen Sektoren der industriellen Produktion verbraucht. Neben der primären Bedeutung als Energiequelle dient es auch als Rohstoff zur Herstellung einer Vielzahl von Produkten, vor allem Kunststoffen.
Doch wird die Kehrseite des ungehemmten Öl-Verbrauchs immer offensichtlicher. Ein weltweit erhöhter CO2-Ausstoß durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe führt aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer bedrohlichen Verstärkung eines längerfristigen Erwärmungstrends der Erdatmosphäre [Lozán et al., 1998]. Unmittelbarer sind die Auswirkungen von Unfällen, bei denen größere Mengen an Öl-Produkten in die Natur austreten. Vor allem die großen Tankerunfälle verursachten katastrophale ökologische Schäden, wie die Havarie der Exxon Valdez vor Alaska im Jahre 1989.
Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt bleiben die mengenmäßig geringfügigen, aber häufigen Verschmutzungen durch Öl, im Meer zum Beispiel durch das Waschen der Diesel-Tanks vor den Küsten. Auch an Land hat sich in den letzten Jahren eine große Anzahl von so genannten Altlasten angesammelt. Sehr häufig sind Böden in der Nähe von Tankstellen verseucht, weil sich dort aufrund mangelhafter Drainage-Systeme über Jahre beträchtliche Kontaminationen angestaut haben. Dazu kommen Schadensfälle, die auf kleinere Unfälle zurückzuführen sind. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen umgekippten Tanklaster oder ein abgestürztes Sportflugzeug handeln. Eine unmittelbare Gefahr bei solchen Kontaminationen ist die mögliche Verseuchung des Grundwassers.
Für die Sanierung mineralölkontaminierter Böden stehen physikalisch-chemische und biologische Reinigungsverfahren zur Verfügung (für eine ausführlichere Beschreibung solcher Ansätze siehe zum Beispiel Hoffmann und Viedt (1998) oder Mohammed et al. (1996)). Erstere sind in der Regel technisch sehr aufwendig. Ein verbreiteter Ansatz ist die thermische Erhitzung von Böden, bei der die Schadstoffe bei hohen Temperaturen verbrannt werden. Eine andere Möglichkeit der Sanierung von Grundwasserkontaminationen besteht darin, das gesamte Wasser an die Oberfläche zu pumpen, um es dann chemisch zu reinigen.
Biologische Reinigungsverfahren haben den großen Vorteil, dass der technische Aufwand gering ist und daher die Kosten minimiert werden können. Außerdem kann die Sanierung In Situ durchgeführt werden; dabei bleibt die biologische Integrität des Bodens bewahrt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Schadensfälle Ex Situ zu behandeln, um dadurch die Sanierungsparameter besser kontrollieren zu können (vgl. Abschnitt 2.1).
Ziel dieser Diplomarbeit ist die Programmierung und Evaluierung eines Modells, das biologische Abbauprozesse in Bodenmieten simuliert. Die Arbeit ist Bestandteil des Verbundprojektes Computersimulation zum Scale-up biologischer Reinigungsverfahren (Forschungsvorhaben 0910981-1 & -2 des BMBF). Beteiligt sind das Zentrum für Umweltforschung und Umwelttechnologie an der Universität Bremen und die Umweltschutz Nord GmbH & Co. Ziel des Projektes ist es, durch geeignete Simulationsverfahren Prognosen über die Dauer und Effektivität von Ex Situ-Verfahren zur Bodenreinigung zu machen [Kraß et al., 1999]. Grundlage solcher Abschätzungen sind Daten, die bei bei der Sanierung verschiedener Schadensfälle erhoben werden.
Eine zentrale Aufgabe beim Entwurf eines Modells ist die Identifizierung von limitierenden Faktoren. Der Boden ist ein äußerst komplexes System und viele Parameter haben einen Einfluss auf den biologischen Abbau von Mineralölkontaminationen. In verschiedenen Phasen der Sanierung können unterschiedliche Faktoren die Kinetik dominieren. Zu Beginn ist es vor allem die Sauerstoffversorgung, die den Abbau begrenzt, später spielt wahrscheinlich die geringe Bioverfügbarkeit die entscheidende Rolle [Sturman et al., 1995].
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Gasaustauschprozessen zwischen den Poren in einer Bodenmiete. Es wird angenommen, dass der Abbau von Kohlenwasserstoffen durch zu geringe Sauerstoffkonzentrationen in den Poren limitiert wird. Es werden zwei Modellansätze präsentiert, der eine mit ein-dimensionaler, der andere mit zwei-dimensionaler Geometrie. Beide Modelle stellen einen Schnitt durch die Bodenmiete dar. Die Versorgung der Bodenporen mit Sauerstoff hängt vor allem von deren Lage relativ zur Oberfläche und dem zur Verfügung stehenden Porenluftraum ab. Die Veratmung von Sauerstoff während der Remineralisierung der Kohlenwasserstoffe kann die O2-Zufuhr zu tieferen Bereichen der Miete begrenzen.
Ergebnis der Arbeit sind zwei Teilmodelle, die vielerlei Möglichkeiten zur Erweiterung bieten. Insbesondere sollen im Rahmen des Verbundprojektes die Mikroprozesse in den einzelnen Poren genauer modelliert werden. Dazu zählt die Abschätzung der Bioverfügbarkeit von Kohlenwasserstoffen, die durch sehr geringe Lösllichkeiten und Sorptionsprozesse beeinträchtigt werden kann.